Die Legende des St. Nikolaus

Bischof Nikolaus wohnte vor langer Zeit in einer Stadt namens Mira, mit vielen armen Leuten und Kindern. Er selber wohnte in einem schönen, grossen Haus, hatte viel Geld und genug zu Essen. Von Zeit zu Zeit besuchte er die armen Kinder und Leute mit seinen Dienern und Eseln. Überall wo er erschien, wurde er freudig von Kindern begrüsst. Die Diener mussten fest aufpassen, dass die vielen Leute und Kinder ihn nicht erdrückten. Er fragte die Kinder, wie es ihnen ginge und ob sie schön brav waren. Er wollte wissen, wie es in der Schule geht, die Hausaufgaben immer gemacht werden und vor dem Schlafengehen auch schön zum lieben Gott beten. Die meisten Kinder sagten immer ja. Die andern versprachen ihm, sich zu bessern und in Zukunft brav zu Mutter, Vater und anderen zu sein. Mit einem Sprüchlein oder Gedicht machten sie Bischof Nikolaus natürlich eine besondere Freude. Er hatte immer für alle ein passendes Geschenk dabei. Ob reiche oder arme Kinder, er war immer mit allen gleich gut oder streng. So setzte er diesen Brauch alle Jahre fort. Vor allem vor Weihnachten, so um den 6. Dezember, ging er besonders gerne auf die Strasse zu den Kindern. Damit konnte er die Menschen auf das Weihnachtsfest vorbereiten.

Eines Tages warteten die Kinder wieder einmal auf den Besuch des Bischofs Nikolaus. Sie suchten ihn überall, aber sie konnten ihn einfach nicht finden. Also gingen sie zu seinem schönen, grossen Haus und warteten. Die Tore aber öffneten sich nicht. Niemand kam heraus. Niemand begrüsste sie mit dem freudigen: „Hoi mitenand!“. Die Kinder riefen ihn ganz laut. Sie erhielten aber keine Antwort. Es blieb alles still. Nach dem langen Rufen der Kinder öffneten sich endlich die Tore und zwei Männer in schwarzen Kleidern kamen heraus. Sie sagten mit trauriger Stimme: „Kinder, geht nach Hause, Bischof Nikolaus ist tot. Er kommt nicht mehr“. Dann verschlossen sie die grossen, schweren Tore wieder und die Kinder standen ganz still da. Sie wollten nicht glauben, was sie da gehört hatten und begannen ganz laut zu rufen: „Nikolaus, Bischof Nikolaus, komm, komm doch wieder zu uns!“, aber nichts rührte sich. Die Kinder riefen immer lauter und gaben nicht auf. Im Haus hörten die Diener des Bischof Nikolaus das Rufen der Kinder. Sie sagten sich: „Wir können doch diese Kinder nicht enttäuschen“, also zogen sie die Kleider des Bischofs an und traten zu den Kindern vor die Tore. Jetzt erhellten sich die Gesichter der Kinder wieder und lauter Jubel brach aus. Ihnen war ganz gleich wer da unter dem schönen roten Mantel war, Hauptsache sie hatten wieder einen Bischof, der ihnen Geschenke brachte, sie nach dem Rechten fragte und ihre Sprüchlein und Gedichte abhörte.

 

Warum der Schmutzli ein Glöcklein hat

Früher, als die Städte noch nicht so gross waren und es noch nicht soviel Verkehr gab, wurden Samichlaus und Schmutzli vom Eseli begleitet. Das Eseli war immer ganz nervös und freute sich so, dass es herum tollte. Damit beide immer wussten, wo ihr Eseli gerade war, banden sie ihm ein Glöcklein um den Hals. Kamen sie zusammen in die Stadt, hörte man das Glöcklein schon von weitem und die Leute wussten, der Samichlaus ist da! Mit der Zeit änderte sich das. Es gab immer mehr Autos und Menschen in der Stadt. Das Eseli bekam Angst vor der Stadt. Es gab keinen Platz zum Tollen mehr. Immer kam einer daher und sagte: „Sei vorsichtig, das ist gefährlich!“ Der Samichlaus beschloss, dass sein Eseli am besten zu Hause bleiben solle. Das nächste Mal gingen Samichlaus und Schmutzli alleine in die Stadt. Aber wo sie auch hin kamen, da sagten die Leute: „Samichlaus, bist du schon da, wir haben das Glöcklein gar nicht gehört.“ Er merkte, dass das Glöcklein seines Esels den Leuten zum Zeichen geworden war, dass jetzt der Samichlaus kommt. Im nächsten Jahr trug der Schmutzli das Glöcklein und unter lustigem Gebimmel gingen beide in die Stadt. Die Leute freuten sich, denn das Gebimmel sagte allen: Der Samichlaus kommt! Seither hat der Schmutzli seine Glöcklein.

 

Wie Samichlaus den Schmutzli fand

Tief im Walde lebte ein Köhler. Er musste sich täglich um seinen Kohlenmeiler kümmern, in dem er Holzkohle machte. Daher hatte er immer ein schmutziges Gesicht und schmutzige Hände. Der Köhler hörte schon viel vom Samichlaus und wünschte sich so sehr, dass dieser ihn einmal besuchen solle. Einmal, zur Nikolauszeit wer er im Walde unterwegs und da traf er ihn. Der Samichlaus hatte schon einen langen Weg hinter sich und fror jämmerlich. Da nahm der Köhler all seinen Mut zusammen und fragte ihn, ob er bei ihm einen warmen Tee trinken wolle. Er könne sich auch ein bisschen aufwärmen. Der Samichlaus sagte gerne ja und ging mit dem Köhler in dessen Hütte. Als er später weiter ging, war schon mehr Zeit vergangen, als er gedacht hatte. Er wollte die Kinder nicht so lange warten lassen! In seiner Eile merkte er gar nicht, dass er vor lauter Hast immer mehr Sachen aus seinem Sack verlor. Als der Samichlaus am nächsten Orte an kam, fiel ihm plötzlich auf, dass sein Sack so leicht geworden war und er alles verloren hatte. Er war ganz verzweifelt, denn er besass keine Geschenke mehr für die Kinder, denen er doch eine Freude bereiten wollte. Plötzlich sah er in der Ferne den Schein einer Laterne. Da kam der Köhler daher. Er sah, dass der Samichlaus die schönen Sachen verlor, hatte alles wieder aufgelesen und brachte es jetzt dem Samichlaus. Der war so froh, weil er den Kindern nun doch noch alles bringen durfte, dass er zum Köhler sagte, komm doch mit und hilf mir tragen. Der Köhler kam gerne mit. Die Menschen, zu denen sie kamen, freuten sich ganz herzlich über den Besuch und schenkten dem Köhler einen warmen Umhang und Handschuhe. Und weil er im Gesicht so schmutzig war, nannten ihn die Kinder Schmutzli. Der Samichlaus freute sich über seinen Helfer und bat diesen, doch jedes Jahr mit zu den Kindern zu kommen und ihn zu unterstützen. Von da an wurde der Schmutzli zum treuen Helfer und Begleiter des Samichlaus.

 

Die Legende von der Rettung aus Seenot

Lang, lang ist's her. Es gab noch keine Autos, keine Eisenbahnen und auch noch keine Flugzeuge. Die Seeleute, die damals mit ihren Schiffen über das Meer fuhren, spannten große Segel auf. Die Kraft des Windes trieb ihr Schiff von Hafen zu Hafen. Aus dieser Zeit erzählt man sich die Geschichte, wie der heilige Nikolaus, der Bischof von Myra, zum Schutzpatron der Schiffer geworden ist.

Eines Tages segelte ein stolzes Schiff durch das Mittelmeer. Es wollte nach Konstantinopel. An Bord trug es reiche Schätze aus Arabien. Es war wohl ausgerüstet und hatte eine tüchtige Mannschaft. Der Kapitän war ein alter, erfahrener Seemann. Schon war der ersehnte Hafen nicht mehr weit, da verdüsterte sich der Himmel, Wind sprang auf, und die Kämme der Wellen wurden schaumig und weiß.

Doch der Kapitän hatte mit seinem Schiff schon so manches böse Wetter durchgestanden. Er wußte, was zu tun war. Er ließ die Segel reffen. Das Ruder nahm er selber in die Hand. Genau dem Wind entgegen, drehte er den Bug seines Schiffes. Die Seeleute gehorchten seinen Befehlen aufs Wort. Doch der Wind wurde immer wütender, wuchs zum Sturm, heulte in den Tauen und Masten und riß den Leuten die Worte vom Mund.

Noch kämpfte das Schiff unverdrossen gegen die Wellen an. Aber schon türmte der Sturm das Wasser zu Bergen, schon warfen sich die Wellen über die Bordwand und überspülten das Deck. Breitbeinig stand der Kapitän und hielt das Ruder fest. Sein Steuermann half ihm dabei. Jetzt prasselten Regenschauer hernieder. Es wurde finster wie in der Nacht. Eine Nacht ohne Stern, ohne Mond. Wieder schäumte ein Wellengebirge hoch auf, zerbrach und stürzte auf das Schiff. Das Holz ächzte. Ein Zittern durchlief den Schiffsrumpf und alle, die er trug. Pfeifen und Knirschen fuhr durch den Mast, ein Splittern, ein Krachen! In halber Höhe zerbarst ein Mast. Wie wild hieben die Männer mit Beilen und Äxten die Taue durch, damit das Wasser das gebrochene Holz wegschwemmen konnte. Doch eine Woge riß den mächtigen Mast hoch auf, schlug ihn gegen das Schiff und stieß ein Loch in die Bordwand. Immer noch hielten die Taue den Rammbock. Da liefen die Seeleute fort, um dem wildgewordenen Mastholz zu entgehen. Schon sah der Kapitän sein Schiff verloren, da fiel ihm in der höchsten Not ein, was er einst vom Bischof Nikolaus von Myra gehört hatte.

„Sankt Nikolaus, Sankt Nikolaus! Bitte für uns!”, schrie er dem Sturm entgegen. Die Seeleute, die ihm am nächsten standen, hörten seinen Schrei. Sie nahmen den Ruf auf. So drang er bis in das Vorschiff.

„Sankt Nikolaus! Bitte für uns!”, schrien die Matrosen. Mit einem Male wurde es ein wenig heller. Plötzlich stand mitten auf dem Schiff ein Mann, den sie nie zuvor gesehen hatten. Er schwang seine Axt und hieb auf die Haltetaue ein. Die Matrosen faßten durch sein Beispiel wieder Mut und kappten die letzten Taue, die den gefährlichen Mastbaum noch hielten. Die nächste Woge trug ihn weit vom Schiffsrumpf fort. Stunden noch wütete das Wasser, doch nach und nach wurden die Wellen zahmer, und allmählich flaute der Wind ab. Als schließlich die Sonne zwischen jagenden Wolken hin und wieder hervorschaute, da war die ärgste Gefahr vorbei. Aber wie sah das stolze Schiff aus! Wie ein zerzauster Vogel trieb es auf dem Meer. Zerrissen die Planken, zersplittert die Bordwand, verwüstet das Deck, weggeschwemmt die Ladung. Endlich übergab der Kapitän dem Steuermann wieder das Ruder.

„Bringt mir den Mann her, der uns gerettet hat!”, befahl der Kapitän. Doch so sehr die Seeleute auch suchten, sie fanden ihn nicht. Am nächsten Tag tauchte die Küste von Kleinasien in der Ferne auf. Ein Notsegel, am Maststumpf mühsam aufgeknüpft, trieb sie langsam in den Hafen von Myra. Die Matrosen vertäuten das verwundete Schiff. Sie warfen sich in ihre Kojen und wollten nichts als schlafen, schlafen, schlafen. Der Kapitän aber ging mit seinem Steuermann zur Kirche von Myra hinauf. Er wollte dem Herrn für die Rettung aus Seenot danken. In der Kirche wurde gerade ein Gottesdienst gefeiert. Vorne am Altar stand der Bischof. Als die Seeleute näher kamen, erkannten sie ihn. Sie sahen, daß er der Mann war, der ihnen auf dem Meer so wunderbar geholfen hatte. Da priesen sie Gottes wunderbare Güte.

Überall verbreitete sich unter den Seeleuten diese Geschichte. So wurde der heilige Nikolaus der Patron aller Seeleute und Schiffer.